Imam Rehan Neziri hat für die Verweigerung des Schwimmunterrichts kein Verständnis. (Nana da Carmo)

 

DEBATTE UM SCHWIMMUNTERRICHT Rehan Neziri ist Imam der albanisch-islamischen Gemeinschaft in Kreuzlingen. Er wird von der Schulgemeinde als Berater hinzugezogen, wenn es um Fragen zum Islam geht. Für die Verweigerung des Schwimmunterrichts hat er kein Verständnis.

 

Thurgauer Zeitung, 12. Januar 2017

 

 

Herr Neziri, gibt es oft Unstimmigkeiten zwischen den Schulregeln und den Regeln des Korans?

Eigentlich nicht. Das Kopftuch ist ein Thema, aber das ist in der Schule in Kreuzlingen erlaubt, für den Schwimmunterricht gibt es den Burkini, und bei Lagern wird der Speiseplan überprüft.

 

Mussten Sie schon öfters als Berater oder Vermittler agieren?

Nicht so oft. In meinen 14 Jahren gab es insgesamt zwei bis drei Vorfälle.

 

Worum ging es dabei?

Einmal war es wegen des Schwimmunterrichts und einmal wegen der Fasnacht. Die Eltern wollten nicht, dass ihr Kind an der Fasnacht mitmacht, weil es ein heidnischer Brauch sei. Ich habe aber gesagt, dass die Fasnacht kein religiöses, sondern heutzutage ein kulturelles Fest sei. Danach durfte das Kind an der Fasnacht mitmachen.

 

Wie stehen Sie zum Schwimmunterricht?

Schwimmunterricht ist ein Bestandteil des gesamten Unterrichts. Prophet Mohammed hat sogar selbst klar und deutlich gesagt, dass die Eltern ihren Kindern Lesen und Schreiben, das Schwimmen, das Reiten von Tieren und das Speer- und Bogenschiessen beibringen sollen.

 

Warum gibt es trotzdem Probleme mit dem Schwimmunterricht?

Die Kleidervorschriften stehen im Gegensatz zur Schwimm­bekleidung. Aber Kinder sind erst ab der Pubertät verpflichtet, sich an die islamischen Kleidervorschriften zu halten.

 

Ist der Schwimmunterricht Thema in Ihrer Gemeinde?

Eigentlich nicht. Ich wurde erst einmal direkt von einem Vater darauf angesprochen. Wir betrachten den Schwimmunterricht als normal – er gehört dazu.

 

Was sagen Sie zur Haltung der Schule? Schränkt sie die Religionsfreiheit ein?

Nein. Im Gegenteil, die Schule ist sehr bemüht. Die Lehrer und die Behörden möchten die Sachen immer vor Ort lösen. Ich schätze auch sehr, dass sie mir das Vertrauen als Vermittler schenken.

 

Was sagen Sie zu dem aktuellen Fall aus Kreuzlingen, wo es um eine väterliche Verweigerung des Schwimmunterrichts geht?

Die Eltern sind nicht Mitglieder unserer Gemeinde, und ich persönlich finde, dass dieser Fall sehr traurig ist. Es ist absurd und erschreckend, dass diese Menschen auf der einen Seite Sozialhilfe beziehen und auf der anderen Seite behaupten: «Wenn ich die Gesetze der Schule oder der Schweiz befolge, dann komme ich in die Hölle; wenn ich diesen Gesetzen aber widerspreche, dann komme ich ins Paradies.» Diese Aussage widerspricht dem Islam und dem gesunden Menschenverstand. Es ist sehr schade, dass keine Lösung gefunden werden konnte. (sba)

 

 

 

Die Schule Kreuzlingen ist pragmatisch und entgegenkommend

 

Thurgauer Zeitung, 12. Januar 2017

«Das ist ein absoluter Einzelfall», betont Schulpräsident René Zweifel.

Die Schule Kreuzlingen setzt auf den Dialog und fährt im Normalfall sehr gut damit.

Dies bestätigt auch Michael Zogg, Schulleiter im Primarschulzentrum Seetal. Die moslemischen Eltern seien generell sehr aufgeschlossen, korrekt und bemüht, die Regeln einzuhalten, sagt er. Allfällige Probleme würden im Gespräch geregelt. Ab und zu helfe auch Imam Rehan Neziri bei der Vermittlung. Er hatte beispielsweise ein Mädchen, das nicht an der Schulfasnacht mitmachen wollte, überzeugt, dass dies Tradition und mit ihrem Glauben vereinbar sei. Neziri erteilt auch den islamischen Religionsunterricht, der in Kreuzlingen im Rahmen der Schule stattfindet. Die grosse Mehrheit der moslemischen Schüler besuche ihn, sagt Zogg. Der Imam erhält von den Verantwortlichen der Schule grosses Lob für seine Arbeit. Er sei weltoffen und stelle das Verbindende zwischen Islam und Christentum in den Mittelpunkt.

Die Schule Kreuzlingen kommt den Moslems wo möglich entgegen, damit sie in der Ausübung ihrer Religion nicht eingeschränkt werden. Das Tragen eines Kopftuchs wird grundsätzlich toleriert. Schulleiter Michael Zogg erinnert sich aber lediglich an drei Mädchen in den letzten 13 Jahren, die das wollten. Moslemische Schüler, in Kreuzlingen beträgt ihr Anteil etwa einen Viertel, dürfen für den höchsten Feiertag ein Gesuch stellen, um für die Familienfeier frei zu erhalten. Pragmatisch behandelt man den Fastenmonat Ramadan. Die Schüler müssen zwar die Kochschule besuchen, sie dürfen das Essen aber mit nach Hause nehmen. «Die Schule Kreuzlingen ist offen und das Zusammenleben der Kulturen funktioniert weitgehend problemlos», sagt René Zweifel. (ubr)