Auf zwei Rädern für den friedlichen Dialog

Interreligiosität / Jugendliche fahren auf dem Velo durch die Ostschweiz. Sie besuchen Kirchen, Moscheen, Tempel und eröffnen sie als Orte des Dialogs unter Religionen und Kulturen.

Das Timing stimmt an diesem Abend Ende Juni perfekt: Just als die Gruppe junger Velofahrerinnen und Velorfahrer von der Strasse auf die albanische Moschee in Kreuzlingen einbiegt, setzt der Regen ein. «Glück gehabt!», meint einer in der Gruppe. Schnell stellen alle ihre Velos ab und suchen im Zelt vor der Moschee Schutz. Dort werden sie freundlichst empfangen von Vertretern der Moschee. Imam Rehan Neziri spricht von der Bedeutung des interreligiösen Dialogs unter Jugendlichen. Bekim Alimi, Präsident des Dachverbands Islamischer Gemeinden der Ostschweiz, verweist in seiner Rede auf den Koran, der Muslime explizit zum Kennenlernen anderer Menschen auffordere. «Der Muslim ist derjenige, der sich anfreundet und sich anfreunden lässt.» Dies nehme man in der Moschee sehr ernst und so öffne man gerne andern Menschen die Türen.

Danach gibts erst mal Hamburger und Bratwurst vom Grill zur Stärkung. Es folgt eine Führung durch die Moschee, deren Gebetsraum und durch Schulzimmer für den Religionsunterricht. Unter den Anwesenden kommt es zu Gesprächen über Religion und die verschiedenen Kulturen.

 

Begegnung und Toleranz. Genau diesist der Sinn von «Dialogue en Route». Annina Schlatter, Koordinatorin und Mit­radelnde: «Das Projekt lädt dazu ein, die religiöse und kulturelle Vielfalt derSchweiz zu entdecken. Die Begegnung mit verschiedenen Religionen und Kulturen soll zu einem friedlichen Zusammenleben und Toleranz beitragen.» Iras Cotis, die Interreligiöse Arbeitsgemeinschaft, der rund siebzig Religionsgemeinschaften und Organisationen angehören, hat das Projekt lanciert.

Eine Woche lang radelten die Jugendlichen zur Eröffnung des Projekts rund 300 Kilometer durch die Ostschweiz.Sie besuchten dabei rund 25 Stationen, vesperten etwa im Kloster Disentis, be­teten interreligiös in der HaldenkircheSt. Gallen und empfingen Glücksschleifen im Tibet-Institut Rikon.

Die Velotruppe setzt sich aus so genannten Guides zusammen, Jugendliche verschiedener Religionszugehörigkeit – Christen, Musliminnen, Hindus, Buddhistinnen, Juden sowie solchen ohne Reli­gionszugehörigkeit. Diese vermitteln ab Juli vor allem Schulklassen, aber auch interessierten Gruppen und Vereinen oder Einzelpersonen Führungen an den Stationen. Eine von ihnen ist Abirami Raghutpathy. Die 21-jährige Informatikstudentin aus Zürich findet die Projektwoche «megacool». Ihr Horizont habe sich durch die vielen Begegnungen mit andern Religionen und Kulturen enorm erweitert. In der Gruppe sei man sich nahe gekommen, habe viele Diskussionen geführt über Religionen und Kulturen. Die engagierte Hinduistin freut sich darauf, im Shiva-Tempel in Opfikon Führungen anzubieten. «Als Guide habe ich die Möglichkeit, Jugendlichen eine Religionsgemeinschaft vor Ort sinnlich erfahrbar zu machen.»

 

Bereichernd. Interreligiosität hat auch für Haris Mehmed (23) eine hohe Bedeutung. Der Psychologiestudent und Muslim möchte wissen, wie andere Menschen ihre Religion leben. «Begegnungen mit andern Kulturen und Religionen erlebe ich als sehr bereichernd.» Als Guide will er mit der Vermittlung von Kenntnissen zum Abbau von Ängsten und Unsicherheiten beitragen und Vertrauen aufbauen.

Nach der Eröffnungstour ist das Projekt im Juli in der Ostschweiz offiziell gestartet. Bis 2019 sollen auch in den andern Teilen der Schweiz rund fünfzig bedeutende Kulturorte und religiöse Stationen eröffnet werden.

 

Stefan Schneiter
(Fotos: Niklaus Spoerri)