Nach den Sommerferien gibt Rehan Neziri in Kreuzlingen Religion für moslemische Primarschüler. Der Mazedonier hofft auf einen integrativen Zusatzeffekt, nicht zuletzt dank der Unterrichtssprache Deutsch.


Brigitta Hochuli, 29. Januar 2010

 

Kreuzlingen. Albanisch ist seine Muttersprache. Mazedonisch, Türkisch, Serbokroatisch, Arabisch und Englisch begleiteten Imam Rehan Neziris Lebens- und Ausbildungsweg, bis er vor sieben Jahren nach Kreuzlingen kam. Nach den Sommerferien gibt er moslemischen Kreuzlinger Primarschülern islamischen Religionsunterricht – auf Deutsch.

Deutsch hat der Imam in einem Integrationskurs in Gossau und an der Benedictschule in St. Gallen gelernt. Er spricht fast fehlerfrei. Die von Neziri auf Deutsch betreute Homepage der Albanisch Islamischen Gemeinschaft in Kreuzlingen ist lesenswert. Sie heisst «el-hikmeh» – «die Klugheit».
 


Sohn eines Baumeisters 

Wir treffen den Imam zwischen zwei von fünf täglichen Gebetszeiten in der Cafeteria der Moschee, die etwas zurückversetzt an der viel befahrenen Romanshornerstrase liegt. Nach und nach treffen ältere Männer ein und warten wortlos. Im Gebetsraum sitzt schon den ganzen Nachmittag ein Verwandter aus der Heimat. «Er liest den Koran», sagt der Imam. «Selam Alejkum», grüssen wir, und der Mann strahlt.

Die Heimat ist ein Dorf im Nordwesten Mazedoniens, 40 Kilometer von der Hauptstadt Skopje entfernt. Dort ist der heute 38jährige Rehan Neziri als Sohn eines Baumeisters und ältestes von vier Kindern albanisch sprechend aufgewachsen. Theologie studiert hat er mangels einheimischer Fakultät in der Türkei. Seinen Abschluss als Master of Arts machte er in Religionssoziologie.


An alle denken 

Finanzielle Gründe hätten ihn bewogen, vor sieben Jahren die Einladung zur Leitung der Moschee in Kreuzlingen anzunehmen. In Skopje Studenten zu unterrichten, wäre einfacher gewesen. Hier hingegen kämen die Angehörigen von 240 Vereinsmitgliedern, Menschen unterschiedlichster Herkunft und jeden Alters in die Moschee. «Ich muss an alle denken, das ist manchmal schwierig.» Aber Neziri ist Familienvater. Er hat eine Verantwortung. Heute hat er zwei Töchter und einen Sohn. Die grosse Tochter geht in die dritte Klasse. «Ihre Noten sind gut», freut sich der Vater. «Sie bringt Fünfer und Sechser nach Hause.»
 


Kompatibler geworden 

Oft fehle es den mazedonischen und kosovarischen Jugendlichen in der Schweiz an Ausbildung. Daher komme auch ihr schlechter Ruf, räumt Neziri ein. Das sei in ihrer Heimat nicht so. Dort gebe es genügend Imame. Andererseits verstünden sich die hier Aufgewachsenen nicht immer mit den Jugendlichen aus der Heimat. Neziri hofft, dass Imame in der Schweiz etwas bewirken. «Der Islam ist hier kompatibler geworden, findet er und betont, dass alle Moscheen offen seien und die Predigten jederzeit mitgehört werden könnten. An heimliche Hassprediger in der Schweiz glaubt er nicht. «Sie könnten ja nicht in der Moschee bleiben. Denn Hass kennt keine Grenzen.»

Wichtig sei, die hiesige Mentalität und Sprache zu kennen. «Deshalb haben wir Imame unsere Mitglieder vor und nach der Minarett-Abstimmung zur Ruhe aufgefordert.» Das Verbot sei zwar eine Diskriminierung und ein Minarett wäre auch in Kreuzlingen schön gewesen. «Aber es ist keine Bedingung für das Gebet. Wir können auch ohne weitermachen.»


Lehrmittel für alle 

Weitermachen heisst für Imam Rehan Neziri jetzt auch, sich auf den Religionsunterricht für moslemische Primarschüler vorzubereiten, der nach den Sommerferien beginnt. Der ruhige Mann wirkt plötzlich leidenschaftlich: «Ich bin so froh, dass das Projekt von der Behörde angenommen worden ist, und dankbar, dass alles konstruktiv über die Bühne ging – sogar bei der Kreuzlinger SVP.»

Der Schulpräsident habe ihn gefragt, was denn am Unterricht anders sei als in der Koranschule. «Eher mehr als anders!», habe er geantwortet. In der Moschee gehe es um Grundkenntnisse über den Islam und den Koran auf Arabisch, in der Schule werde es ein deutsches Lehrmittel geben, das auch für türkisch, pakistanisch oder iranisch sprechende Moslems und Muslimas geschrieben sei. So glaubt Imam Neziri an einen integrativen Zusatznutzen und hat den Wunsch, dass von den 100 möglichen «alle Kinder kommen».

 

Quelle: TAGBLATT