Von Margrith Pfister-Kübler (Thurgauer Zeitung)

Die emotionale Debatte um das Minarett-Verbot bescherte der Moschee in Kreuzlingen am Tag der offenen Tür unerwartet viele Besucher.

Kreuzlingen – «Wir sind glücklich darüber, dass die Leute sich dafür interessieren, wie wir leben», freute sich Imam Rehan Neziri von der Albanisch-Islamischen Gemeinschaft «Hëna e re» in Kreuzlingen. Am Samstag waren weit über 100 Besucherinnen und Besucher zum Tag der offenen Moschee gekommen, an dem sich auch seine Moschee beteiligt hatte. Vor drei Jahren hatte sie bereits einmal zum Tag der offenen Tür geladen, damals kam nicht eine einzige Person. Die Minarett-Initiative hat ein bisher nicht gekanntes Interesse am Islam ausgelöst. 

Reaktionen: «So können die Leute Ängste abbauen»

Wolfgang Powischer war 27 Jahre reformierter Pfarrer in Kreuzlingen: «Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich zuvor noch nie in dieser Moschee war.» Er blickt auf Verbindendes: «Aristoteles war der Philosoph für den Islam.» 

Ursula Schreiber hat persönlich zwar keine Angst vor dem Islam. Dennoch sagt sie: «Ich musste mir das einfach anschauen. So können die Leute auch Ängste abbauen.» Sie lobt die Offenheit der Moslems, die in Kreuzlingen wohnen. 

Der 12-jährige Stefano, Katholik, hat in der Schule türkische Freunde, die Moslems sind. «Mir fiel auf, dass es keine Stühle in der Moschee hat.» Besonders beeindruckte ihn, dass Kinder nicht bestraft, sondern belehrt werden. (kü)

In kleinen Gruppen entwickelten sich Diskussionen in der Moschee. Fragen zu Religion, Minaretten und Kopftuch standen im Zentrum. Die 17-jährige Mujesere besucht die Handelsmittelschule Kreuzlingen, trägt im Alltag kein Kopftuch und fühlt sich akzeptiert. Zur Frage, ob sie schon in christliche Kirchen reingeschaut habe, sagte sie: «Ja, mit der Schule.» Es sei nicht so, dass nur Christen ihr Wissen über den Islam erweitern sollen, sondern die Muslime sollten sich auch für die Christen interessieren, wurden Stimmen laut.

 

Frauen beim Shopping 


«Du hast keinen Respekt vor der Schweiz, wenn du ein Kopftuch trägst», habe ihr eine Mitschülerin gesagt, erzählte eine 15-jährige muslimische Sekschülerin. Aufmerksam verfolgen die Moslems den Abstimmungskampf zur Anti-Minarett-Initiative. «Der Islam wird falsch gezeigt. Islam bedeutet Frieden. Wer Terror macht, ist kein richtiger Muslim», betonte Mujesere. Für sie ist es wichtig, dass man diesen Unterschied macht; es ärgert sie, dass so viele Pauschalurteile abgegeben werden. 


Die Mehrheit der Moslems sei gut integriert, erklärte Imam Rehan Neziri. Wie weit Religion für den Durchschnittsmoslem noch wichtig sei, wollte die Katholikin Beatrice Wittel aus Eschenz wissen. Imam Neziri erklärte, dass alle mehr oder weniger Interesse am Glauben haben, das familiäre Umfeld spiele aber eine Rolle. Von rund 2000 Muslimen in Kreuzlingen sind 200 Mitglieder der Albanisch-Islamischen Gemeinschaft. «Bei uns gibt es auch Muslime, die nicht beten.» Unser Freitag ist für die Moslems der Sonntag. Sie sind dann aber bei der Arbeit oder in der Schule, deshalb ist die Moschee am islamischen Feiertag oft fast leer. «Wir müssen uns hier anpassen», betont der Imam. 
Wo sind denn die Frauen, wurde immer wieder gefragt. «Heute ist Samstag, da sind unsere Frauen beim Shopping», lächelte der Imam. Mit respektvoller Anteilnahme blieben die Besucher, als zum Gebet gerufen wurde. «Weshalb müssen Frauen hinter den Männern bleiben beim Beten?» Dies geschehe aus Respekt vor den Frauen, damit diese nicht belästigt werden, das habe nichts mit Hintanstehen zu tun, hiess es.

 

(ThurgauerZeitung)


Fotos von diesem Tag - AIG "Hëna e re" - Kreuzlingen