Heute (06. Januar 2012) findet eine interreligiöse Begegnung mit Pilgerzug, Vesper und Feuer in der Winternacht statt. Vor dem Hintergrund der Anschlagsserie in Nigeria distanzieren sich Diakon Loretan und Imam Neziri von religiös motivierter Gewalt und Terror. Sie wollen einen Beitrag zum Frieden leisten, indem sie Menschen über die religiösen Grenzen hinweg zusammenführen.


Kreuzlinger Zeitung


Kreuzlingen. Der geistige Gehalt des Weihnachtsfestes könnte durch das öffentlicheGespräch zwischenMuslimen und Christen neue Kraft gewinnen. Denn schliesslich deuten beide Religionen die Geburt Jesu als ein Zeichen Gottes für die Welt. Wie die dreiWeisen sind Christen undMuslime als Suchende unterwegs, auf Pilgerschaft zu Gott hin. Aber Gott kommt den Suchenden auch entgegen. Nach christlicher Auffassung wird er in Jesus ChristusMensch.


Von Christen und Muslimen

Veranstaltet wird diese Feier von Christen und Muslimen, die sich im Rahmen des Runden Tisches der Religionen zusammengefunden haben. Der Runde Tisch der Religionen ist eine Arbeitsgemeinschaft, die das Projekt des islamischen Religionsunterrichtes an den öffentlichen Schulen von Kreuzlingen ins Leben gerufen hat und begleitet. Seit zwei Jahren werden auch religiöse Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Konfessionen, vor allem zwischen Muslimen und Christen durchgeführt. Für diese Begegnung haben Christen aus der Pfarrei St. Ulrich unter der Leitung von Diakon Matthias Loretan die Verantwortung übernommen.

In einem Pilgerzug ziehen Gläubige beider Weltreligionen von der Moschee der Albanisch-
Islamischen Gemeinschaft «Hena e re» an der Romanshornerstrasse 16 (Besammlung: 18.45 Uhr) zur katholischen Kirche St. Ulrich. Auf dem Weg dorthin machen sie Halt im dunklen Klosterhof, um die Sterne besser zu sehen. In der Kirche von St.Ulrich erzähltDiakonMatthias Loretan vor dem Bild des linken Seitenaltars, wieGott nach demchristlichen Glauben zur Welt kommen möchte. Er gibt damit Auskunft darüber, was Christen überhaupt glauben, wenn sieWeihnachten feiern. 

Mit einer Vesper zur Erscheinung des Herrn (so heisst das Dreikönigsfest im liturgischen Kalender) feiern die christlichen Gläubigen im Chor der ehemaligen Klosterkirche, dass Gott sich finden lässt. Diesen Teil gestaltenKirchenmusiker Bruno Sauder sowie Diakon Matthias Loretan zusammen mit Gläubigen aus der Pfarrei St. Ulrich. Interessierte aus anderen Pfarreien sind ebenfalls herzlich dazu eingeladen. Die muslimischen Gläubigen nehmen betrachtend an diesem Teil der Liturgie teil, welche das klösterliche Stundengebetweiterführt. Gegen den Schluss der christlichen Liturgie vereinen sich die christlichen und muslimischen Gläubigen zu einem grossen Kreis. Sie beten für den Frieden, insbesondere für den religiösen Frieden in der Welt und schliessen die Feier mit dem inzwischen schon programmatischen Lied: «Ubi caritas, deus ibi est».

Anschliessend besteht Gelegenheit zumAustausch bei Tee und Dreikönigsgebäck draussen in derWinternacht am Feuer im Klosterhof neben der Kirche.


Gegen Gewalt und Terror

Die Veranstaltung soll keineswegs Unterschiede zwischen den Religionen verwischen, sagt Diakon Matthias Loretan. «Unterschiede zwischen den Religionen können zu Spannungen führen, die sich mitunter gewaltsam entladen. Mit der Reihe der interreligiösen Begegnungen versuchen wir in Kreuzlingen, solchen Eskalation entgegenzuwirken.» Vielmehr sollenMenschen unterschiedlichen Glaubens zusammengeführt werden, die einander in ihrer religiösen Eigenart tolerieren und die einander als Menschen achten wollen.
«Dabei versuchen wir, auch über Unterschiede miteinander ins Gespräch zu kommen, den Frieden zwischen den Religionen zu fördern und dafür zu beten», so Loretan.


Weihnachtswünsche vom Imam

Zu Weihnachten schickte der Imam Rehan Neziri eine Weihnachtsbotschaft an die Christen von Kreuzlingen. Diesewurde am Neujahrsgottesdienst in St. Ulrich verlesen. «Religiöse Feiertage sind Zeiten des besonderen spirituellen Erlebens und von grosser Bedeutung. Sie ermöglichen eine besonders intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun und eröffnen immer wieder die Möglichkeit, besinnliche Augenblicke zu erfahren», sagte Neziri und rief dazu auf, gegen gesellschaftliche Probleme gemeinsam vorzugehen. «Gerade als gläubige Menschen sollten wir uns immer wieder daran erinnern, welche Verantwortung wir gegenüber uns selbst, denMenschen, der Schöpfung und gegenüber Gott haben. Dabeimuss uns bewusst werden, dass uns gesellschaftliche Probleme gleichermassen betreffen und eine gemeinsame Anstrengung zu deren Überwindung erfordern», so der Imam. In diesem Sinne wünschte Neziri im Namen der Albanisch-
Islamischen Gemeinschaft «Hena e re» allen Menschen christlichen Glaubens frohe und besinnliche Weihnachten und ein gutes neues Jahr.


Kreuzlinger Zeitung, Nr. 1, 6. Januar 2012