Kreuzlingen, 19. November 2011 – Weder frauenfeindlich noch antidemokratisch – Imam Rehan Neziri nahm vergangenen Montag Stellung zu den Vorwürfen einer Verfassungsinitiative gegen Islamunterricht an Schweizer Schulen. Ein wichtiger Einblick in die Welt des Korans und Anstoss zu interreligiösem Nachdenken. - Stefan Angele


An die 70 Zuhörer folgten der Einladung des katholischen Diakons Matthias Loretan ins Ulrichshaus am Montagabend. Rehan Neziri, Imam der albanischen Moschee Kreuzlingen, gab zu Anfang eine allgemeine Einführung in jenes Buch, welches zu den wohl am meisten diskutierten Schriften der Welt gehört. Anschliessend ging er dezidiert auf die von einer Thurgauer Initiative gegen «frauenfeindliche, rassistische und mörderische Lehrbücher» vorgebrachte Kritik an diversen Koran-Suren ein.
 


Keine geheimen Ziele

Der Mazedonier ist nicht nur Imam der albanisch-islamischen Gemeinschaft sondern auch Religionslehrer an zwei Kreuzlinger Primarschulen. Als solcher steht er im Fokus der Kritik, auf welche er ruhig und sachlich, Punkt für Punkt einging. Die Anwesenden dankten ihm seine Ausführungen mit interessierter Aufmerksamkeit.«Für Schweizer Muslime gilt die Bundesverfassung.» Neziri zufolge wird Muslimen in der Schweiz oft vorgeworfen, sie verstellten sich und würden «geheime Ziele» verfolgen. Er als Imam anerkennt jedoch die Bundesverfassung und mit ihr die demokratische Staatsform als wichtiges Regelwerk. Dies vermittelt er auch seiner Glaubensgemeinschaft. Der Koran, als «die Rede Allahs», bedarf der Interpretation, welche der jeweiligen Zeit entsprechend stetig aktualisiert werden muss. Nur im Verbund mit der Sunna (den Lehraussagen und vorbildhaften Taten des Propheten Muhammad) und den Auslegungen der Gelehrten könnten Fehlinterpretationen vermieden und Pauschalurteilen begegnet werden. Auch muss die seriöse Lektüre in arabischer Sprache erfolgen. Jede Übersetzung würde immer auch Interpretation beinhalten.

 


Kontext ist entscheidend

Neziri zufolge bringt es nichts, einzelne Koran-Suren – lösgelöst von ihrem Kontext – gegen den Islam zu Felde zu führen. Die von den Gegnern des Islamunterrichts angeprangerten Suren können nur im Zusammenhang richtig bewertet werden. Tut man dies nicht, so befördere dies Missverständnisse und ermögliche polemisches Zitieren. Genauso wie einzelne Suren für sich betrachtet falsch ausgelegt werden können, würde auch die isolierte Betrachtung mancher Bibel-Verse zu einer unseriösen Exegese führen.

 


Der Islam und die Anderen

Der liberal eingestellte Imam Neziri ist überzeugt davon, dass der Koran weder frauen- noch fremdenfeindlich ist. Der Koran an sich stehe für Menschenrechte, auch wenn in manch muslimischem Land womöglich ein fragwürdiges Strafrecht gilt. «Wir können uns anpassen.» Der Koran – ebenso wie die Bibel – beinhalte ärgerliche Stellen, «doch das Streichen dieser bringt nichts. Nur die Auseinandersetzung mit ihnen kann Verständnis und Miteinander stärken.» Imam Neziri und Diakon Loretan waren sich einig darüber: Eine der Botschaften dieses Abends sollte sein, dass es eben nur gemeinsam geht: «Dialog statt Eskalation.»

 

Die Quelle: Kreuzlinger Zeitung