Von Martin Knoepfel, ThurgauerZeitung, 14.04.2010
Richtung Mekka: Nach Südosten ausgerichtete Gräber auf dem muslimischen Friedhof in Zürich-Witikon.Bild: Keystone
Muslime müssten ihre Toten in allen Kantonen nach islamischem Ritus begraben können, forderte Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen der Schweiz (Kios) im «Tages-Anzeiger» vom 15. März. Mindestens ein Gräberfeld pro Kanton müsse zur Verfügung gestellt werden, auf dem nur Muslime beigesetzt werden dürften. Notfalls müssten Muslime vor Gericht ziehen, wenn sie in ihrer Wohngemeinde ihre Toten nicht gemäss ihrem Glauben beisetzen könnten.
Friedhöfe sind im Thurgau Sache der Gemeinden. Der Integrationsbeauftragte des Kantons, Oliver Lind, sagte, das Migrationsamt habe sich bisher nicht mit dem Thema befasst. Er könne keine Stellung dazu nehmen. Eine Kontroverse entbrannte 2006 in Weinfelden wegen eines geplanten muslimischen Gräberfeldes. Am 31. Mai 2007 kippte das Gemeindeparlament den Artikel aus der Revision des Friedhofreglements und umschiffte so die Klippe eines angedrohten Referendums. Gemeindeammann Max Vögeli sagte, dass das Thema seit diesem Entscheid vom Tisch sei. In Arbon, Frauenfeld, Kreuzlingen und Wil hiess es, dass es keine eigenen Gräberfelder für Muslime gebe und dass die meisten Muslime ihre Toten zur Bestattung in die Heimat überführen liessen.
Adile Samsunlu, Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft für Ausländerfragen Kreuzlingen (AGK), würde begrüssen, wenn sie hier dereinst nach ihren religiösen Vorstellungen begraben werden könnte. Für Einwanderer der ersten Generation sei das nicht so wichtig, sagt sie, aber in Zukunft werde das ein Thema. Samsunlu ist sicher, dass Muslime sich hier heimischer fühlen, wenn islamische Bestattungen möglich sind. Die AGK wolle die Frage eventuell im Ausländerbeirat wieder aufnehmen.
Rehan Neziri, Imam der albanischen Moschee Kreuzlingen, sagt, einzige religiöse Anforderung im Islam sei die Ausrichtung des Grabs nach Mekka. Die Ansicht, dass Leichen Andersgläubiger unrein seien, habe nichts mit dem Islam zu tun. Aus religiöser Sicht sei die ewige Grabesruhe nicht zwingend. Die albanische und die türkische Gemeinde hätten den Wunsch nach einem muslimischen Gräberfeld beim damaligen Stadtammann Josef Bieri und bei dessen Nachfolger Andreas Netzle vorgebracht. Netzle habe empfohlen, eine Lösung auf kantonaler Ebene zu finden. Wenn das gelänge, wäre das schön, sagt Neziri, doch sei es schwierig, alle Muslime im Thurgau auf eine Linie zu bringen.
Gefühl, unbeliebt zu sein
Hisham Maizar, Roggwil, ist Präsident der Föderation islamischer Dachorganisationen. Diese sei mit Mitgliedern in zwölf Kantonen repräsentativer als die Kios, die in drei Kantonen aktiv sei, sagt er eingangs. In der Sache vertritt er ähnliche Positionen wie Afshar. Er nennt es eine Frage der Pietät, Menschen, die jahrzehntelang hier gearbeitet hätten, nicht einfach in Reih und Glied zu bestatten. Die erste Generation muslimischer Einwanderer komme ins Alter. Nicht alle könnten sich in der Heimat begraben lassen. Abgesehen davon gebe es ebenfalls muslimische Schweizer. Maizar möchte sein Ziel durch Dialog und Lobbyarbeit erreichen, nicht durch Forderungen.
Die Schweiz verbiete dies und das. Langsam habe er das Gefühl, Muslime sind an sich unbeliebt, sagt er. In grossen Städten dienten Friedhofflächen oft als Grünanlagen. Diese könne man für islamische Gräberfelder nutzen. Private Friedhöfe seien keine Option. Die islamischen Gemeinden hätten wenig Geld und lehnten ausländische Spenden ab, da diese abhängig machten.